Ruisrock – Rock auf der Insel
Europas zweitältestes Festival ist in Finnland
Turku (sc). Böse Zungen behaupten, in Finnland gebe es, wohl wegen des kurzen Sommers, auf zwei Einwohner ein Open-Air-Festival. So ganz stimmt das natürlich nicht, aber es passiert auffallend viel im Norden und die Festivals sind alle etwas besonderes. Sei es wegen des Lineups, der Örtlichkeit oder wegen ihrer jeweiligen Geschichte. Als 1969 in Amerika das große Hippie-Festival Woodstock zu Ende ging, dachten sich einige, dass dies doch auch in Europa möglich sein müsse. Jan Smeets veranstaltete am 18. Mai 1970 das erste Europäische Openair, Pinkpop. Nur ein paar Monate später, am 21. August warteten einige Finnen mit einem Mega-Event auf. Im Naturschutzgebiet Ruissalo, direkt vor dem Hafen von Turku gelegen, feierten Musikfans ganze drei Tage lang Bands, wie Wigwam oder Colosseum.
Den absoluten Besucherrekord erlebte Ruisrock schon ein Jahr später mit über 100.000, die Gruppen wie den Kinks, Canned Heat oder der Jeff Beck Group lauschen wollten. Seither ist Ruisrock kleiner und wieder größer geworden, hat ein paar Krisen überwunden und erstrahlt seit ein paar Jahren in neuem Glanz. In der Liste der Bands gab es mal mehr mal weniger internationale Größen. Neben Nina Hagen (84) und Rammstein (05), zählen sicher die Puhdys mit ihrem Auftritt 1976 zu den bemerkenswerteren deutschen Bands. Neben internationalen Größen spielen die finnischen Bands natürlich eine große Rolle beim Lineup. Sie haben wohlklingende Namen wie Kunstdünger (Apulanta), Powermixer (Tehosekoitin) und Heimindustrie (Kotiteollisuus) oder sie heißen schlichtweg Amorphis, Regina oder Le Corps Mince de Françoise. Einige dieser Bands sind auch hierzulande keine Unbekannten und ja, das Vorurteil stimmt, der finnische Musikgeschmack ist härter als der deutsche.
Eine Sache aber macht Ruisrock wirklich einzigartig in der Welt. Glasvegas stimmten in diesem Jahr plötzlich „row, row, row your boat“ an. Der Sage nach soll Aerosmith 1994 das Spielen einen Augenblick lang völlig vergessen haben. Der Grund: Ein Riesenschiff, das an der Bühne vorbeifuhr. Die Veranstalter nennen diesen Augenblick den „Ich habe das Schiff gesehen“-Moment. Ruissalo liegt direkt an der Route der Fähren nach Stockholm und zwei der Bühnen sind direkt am Strand. Ein 10 Stockwerke hohes Schiff ist beeindruckend! Nirvana Sänger Kurt Cobain soll seine Bandgenossen gefragt haben, ob sie das auch gesehen hätten; er wusste wohl nicht recht, ob das Schiff echt oder seinem Drogenkonsum entsprungen war.